Evolutionäre Anthropologen beschreiben die Menschheitsgeschichte als wesentlich gekennzeichnet durch fortwährende Kämpfe benachbarter autonomer Kleingruppen um ökologische Lebensvorteile. Eine neutrale Begegnung zwischen Nachbarn war in vormoderner Zeit praktisch nicht möglich – es gab nur Freund oder Feind. Diese Situation, die bereits das Sozialleben von Schimpansen kennzeichnet, hat dem Denken, Fühlen und Handeln von Menschen einen prägenden Stempel aufgedrückt, der als evolutionäre Angepasstheit zur biologischen conditio humana gehört. In dem Vortrag wird es zunächst darum gehen, diese These empirisch zu unterfüttern, bevor jene kognitiven Strategien diskutiert werden, die das typische in-group / out-group Denken und die damit verbundene doppelte Moral hervorbringen ? essenzialistisches Denken und moralische Gewissheit unter ihnen. Dabei geht es auch um die Konditionalität von Gewaltbereitschaft: Unter welchen Bedingungen eskaliert sie, und unter welchen bleibt sie pazifistisch gedeckelt?
Über den Referenten:
Prof. Dr. Eckart Voland
Herr Voland ist 1949 in Münden in Hann. Münden (Niedersachsen) geboren. Er absolvierte ein Studium der Biologie und Sozialwissenschaften an der Universität Göttingen. 1978 promovierte er mit einer Arbeit zum Sozialverhalten von Primaten. 1992 habilitierte er an der Uni Göttingen für Anthropologie mit Arbeiten über „Historische Demografie und Soziobiologie“.
Seit 1995 ist er Professor für Philosophie der Biowissenschaften am Zentrum für Philosophie und Grundlagen der Wissenschaft der JLU. Seine Forschungsarbeiten bewegen sich vorrangig auf den Gebieten der Evolutionären Anthropologie (Soziobiologie, Verhaltensökologie), Biophilosophie (Evolutionäre Ethik, Evolutionäre Ästhetik, Evolutionäre Religionswisenschaft) und historischen Demografie. Voland ist korrespondierendes Mitglied der Joachim Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften zu Hamburg.