Wer die Serie the Big Bang Theory aufmerksam verfolgt hat, erinnert sich vielleicht an die Episode in welcher sich der Asperger Autist Sheldon mit seinem an selektiven Mutismus erkranktem Freund Raj in eine Reise ins abenteuerliche Flächenland machen, damit Sheldon es vermeiden kann unter Leute zu gehen.

Das Flächenland geht auf ein über hundert Jahre Altes Buch des Autors Edwin A Abbott zurück.
Flachland ist die Erzählung eines quadratischen Bewohners einer zweidimensionalen Welt; also einer Wirklichkeit, die nur Länge und Breite aber keine Höhe kennt. Eine Welt die flach wie ein Bogen Papier ist und von Linien, Dreiecken Quadraten und Kreisen bevölkert wird. Sie können sich nach ihrem Willen auf zwei Dimensionen in dieser Welt bewegen, können sich jedoch nicht nach oben oder unten bewegen. Der Gedanke daran erscheint ihnen herrlich absurd.
Der Protagonist dieser Welt findet sich eines Tages in einem Traum wieder, wo er eine ein dimensionale Welt betritt dessen Bewohner alle Striche oder Punkte sind. Alle Bewohner können sich auf einer Linie nur vorwärts oder Rückwärts bewegen. Diese Linie nennen sie ihre Welt. Sich nach rechts oder links zu bewegen erscheitn für diese Bewohner gänzlich unvorstellbar. Vergeblich versucht der Träumer dem längsten Strich, dem König von Strichland die Wirklichkeit vom Flachland deutlich zu machen. Der König hält ihn für geistesgestört. Auf seine wahnwitzigen Behauptungen hin stürzen sich die Bewohner auf das Quadrat. Doch dann erwacht unser Quadrat aus diesem furchtbaren Traum.
Als er am Tage danach Besuch von einer Kugel aus der dritten Dimension bekommt ergeht es ihm wie den Bewohnern von Strichland in seinem Traume. Er hält die Geschichte der Kugel für absurd. Die Kugel sieht keine andere Möglichkeit als ihn mit in die dritte Dimension zu nehmen. Was Herr Quadrat dort erlebt würden wir heute ein transzendentales Erlebnis nennen:

„Ein unbeschreibbares Grauen packte mich. Da war Finsternis; dann eine schwindelerregende, schreckliche Sicht, die nichts mit Sehen zu tun hatte; ich sah eine Linie, die keine Linie war; Raum, der kein Raum war. ich war ich selbts und nicht ich selbt. Als ich meiner Stimme wieder mächtig war schrie ich in Todesangst: DAS IST ENTWEDER WAHNSINN ODER DIE HÖLLE! „Es ist weder das eine noch das andere“, antwortet die Ruhge Stimme der Kugel,“es ist Wissen; es sind drei dimensionen Öffne deine Augen und versuche ruhig zu blicken.“

Als das Quadrat die Flachlandbewohner von der Wirklichkeit einer dritten Dimension überzeugen will, wird er von der Inquisition ins Gefängnis gesteckt.

Der Psychotherapeut und Konstruktivist Paul Watzlawick schreibt dazu:[…], dass Abbotts erstaunliche Intuiton als Gegenstück gewisser Irrenanstalten unseren heutigen Zeiten beschreibt. Einmal im Jahre kommt der oberste Kreis das Quadrat in seienr Zelle besuchen und fragt ob es ihm besser gehe. Jedes Jahr kann das Quadrat der Versuchung nicht wiederstehen, den obersten Kreis davon zu überzeugen, dass es die dritte Dimension wirklich gibt. Woraufhin dieser den Kopf schüttelt und sich ein weiteres Jahr nicht wieder blicken lässt.
Flachland stellt die Relativität der Wirklichkeit schlechthin dar. Aus diesem Grunde möchte man sich wünschen, dass dieses Buch von jedem jungen Menschen gelesen werde. Die Geschichte der Menschheit zeigt, dass es kaum eine mörderischere, despotischere Idee gibt als den Wahn einer „wirklichen“ Wirklichkeit, mit allen schrecklichen Folgen, die sich aus dieser wahnhaften Grundannahme streng logisch ableiten lassen.

Die Fähigkeit mit relativen Wahrheiten zu leben, mit Fragen auf die es keine Antworten gibt, mit dem Wissen nichts zu wissen und den paradoxen ungewissheiten der Existenzdürfte dagegen das Wesen menschlicher Reife und der daraus folgenden Toleranz für andere sein.

Aus: Paul Watzlawick: Wenn du mich wirklich liebtest Würdest du gern Knoblauch essen.